Bis zum Schluss war es in Vösendorf spannend geblieben. Fast zwei Stunden nach Wahlschluss stand in der niederösterreichischen Gemeinde noch immer kein Ergebnis der Gemeinderatswahl fest. Doch kurz vor 18 Uhr wandte sich Bürgermeister Hannes Koza (ÖVP) mit einer "internen Info" an Medien und seine Unterstützer, die sich im Schloss Vösendorf versammelt hatten: Demnach gewinnt seine Partei massiv dazu und erlangt mit 17 Mandaten die absolute Mehrheit. Die SPÖ verliert zwei Mandate und kommt auf zehn Sitze im Gemeinderat. Die Bürgerliste V2000 kommt auf drei Mandate, die FPÖ auf zwei, die Grünen auf eines.

Es verging einige Zeit, bis Koza als Leiter der Wahlbehörde auch offiziell das vorläufige Endergebnis präsentierte: Demnach erreicht seine Volkspartei 48,9 Prozent und gewinnt mehr als zehn Prozentpunkte dazu. Die SPÖ kommt nur noch auf 30,2 Prozent. Die Liste Vösendorf war in der vergangenen Periode nicht im Gemeinderat vertreten und schafft nun den Wiedereinzug mit 8,4 Prozent. Die FPÖ kommt auf 7,3 Prozent, die Grünen verlieren und erreichen 5,17 Prozent.

Es war das Ende eines skandalumwitterten Wahlkampfs: Im Jänner war aufgeflogen, dass Bürgermeister Hannes Koza (ÖVP) eine Rechnung gefälscht hatte. Dabei ging es um die Kosten des gegnerischen Anwalts, die Koza im Zuge eines Rechtsstreits rund um einen Tweet aufgetragen worden waren. Koza manipulierte die Rechnung so, dass er sie über das Feuerwehr-Konto seiner Gemeinde bezahlen lassen konnte. Er gestand den Fehler ein, trat aber nicht zurück – sondern rief in der Hoffnung auf einen Freispruch durch die Wähler Neuwahlen aus. Das Strafverfahren rund um die gefälschte Rechnung wurde später im Wege einer Diversion eingestellt.

Hannes Koza umarmt einen Mann
Im Schloss Vösendorf ließ sich Bürgermeister Hannes Koza von Unterstützerinnen und Unterstützern feiern.
@Christian Fischer

Koza war bis zum Schluss zuversichtlich. Das Feedback aus der Bevölkerung sei gut, sagte er eine Woche vor der Wahl zum STANDARD, die Sache mit der Dokumentenfälschung nur außerhalb von Vösendorf Thema.

Duell zwischen SPÖ und ÖVP

Der größte Konkurrent des Bürgermeisters war die SPÖ, die alles daran setzte, Vösendorf zurückzugewinnen: Denn die Marktgemeinde wurde zuvor stets von den Roten regiert. Und auch bei der letzten Wahl im Jahr 2020 waren die Sozialdemokratien auf Platz eins gelandet – mit einem Vorsprung von nur neun Stimmen auf Kozas ÖVP. Die Grünen machten den Zweiten zum Bürgermeister. Die damalige Bürgermeisterpartei war zu diesem Zeitpunkt selbst in verschiedene Skandale verstrickt. Zuerst war eine Vergleichszahlung von 19 Millionen Euro fällig, weil die Gemeinde das Großprojekt eines Büroturms versemmelt hatte. Dann war bekanntgeworden, dass der Bürgermeisterin eine Gemeindewohnung zugesprochen worden war.

Während des Wahlkampfs 2024 kampagnisierte Spitzenkandidat Alfred Strohmayer mit Unterstützung der roten Landespartei also gegen Koza. Die vom Bürgermeister gefälschte Rechnung wurde per Postwurfsendung an alle Menschen in Vösendorf verschickt, zuletzt proklamierte Strohmayer bei einem Fackelzug: "Das Experiment Koza ist beendet!"

Alfred Strohmayer steht vor einem alten Feuerwehrauto
SPÖ-Spitzenkandidat Alfred Strohmayer hat die Ära Koza bereits vor der Wahl für beendet erklärt.
Regine Hendrich

Und auch im niederösterreichischen Landtag war Vösendorf immer wieder Thema. SPÖ und Neos hatten im Frühjahr etwa eine Sonderprüfung der Gemeindeaufsicht verlangt, deren Ergebnis Koza selbst am Dienstagabend öffentlich machte. Darin wurden zwar – für den Bürgermeister das wichtigste Ergebnis – keine weiteren gefälschten Rechnungen gefunden. Allerdings zahlreiche Schlampereien.

Prüfer fanden zahlreiche Mängel

So fanden die Prüferinnen und Prüfer des Landes zahlreiche Rechnungen mit formalen Mängeln. Und auch etliche Belege des Heurigen von Kozas Ehefrau, die der Bürgermeister nicht persönlich gegenzeichnen dürfen hätte – es aber trotzdem getan hat.

Auch finanzpolitisch stellte das Land dem Bürgermeister kein gutes Zeugnis aus: Vösendorf hat unter Koza viel mehr Geld ausgegeben als vergleichbare Gemeinden – und das bei hohen Schulden.

Die Skandale, der monatelange Wahlkampf und die daraus folgende emotionale Gemengelage hätten Koalitionsgespräche erschwert. Kaum vorstellbar etwa, dass Koza und die SPÖ so schnell zu einer vertrauensvollen Gesprächsbasis finden werden. Mit der türkisen Absoluten stellt sich diese Frage nun nicht mehr akut.

Liste schaffte Wiedereinzug

Die FPÖ ist mit Spitzenkandidatin Kerstin Liebl ins Rennen gegangen und hat Koza im Wahlkampf ebenfalls massiv angegriffen. Die Grünen wählten Koza 2020 zum Bürgermeister, die Koalition platzte aber noch vor dem Ende der Periode; sie haben sich mit Angriffen auf den Bürgermeister allerdings zurückgehalten. Dann gibt es noch die Bürgerliste V2000, die schon seit 1989 in Vösendorf aktiv ist. 2020 war ihr Spitzenkandidat in letzter Minute (letztlich erfolglos) zu den Neos übergelaufen, V2000 kandidierte deshalb nicht. Die Neos waren am Sonntag nicht mehr angetreten, V2000 probierten es wieder.

Auch in St. Pölten wurde die Wahl am Sonntag mit Spannung beobachtet. Die SPÖ hätte wohl gerne einen Triumph für sich verbucht. Die ÖVP Niederösterreich demonstrierte hingegen ihr distanziertes Verhältnis zu Koza: Sie gratulierte "allen gewählten Gemeinderätinnen und Gemeinderäten" – und forderte die "unverzügliche" Aufarbeitung des Prüfberichts der Gemeindeaufsicht. (Sebastian Fellner, 5.5.2024)